Zahlraumerweiterung am Beispiel des Zahlenstrahls

Um sich in einem neuen Zahlenraum zu orientieren und in diesem rechnen zu können, benötigen Kinder viele Kompetenzen. Dazu gehört nicht nur die Kenntnis der Zahlwortreihe und die Fähigkeit, die Zahlen schreiben zu können, sondern die Kinder sollten auch folgende Anforderungen beherrschen:
  • vorwärts und rückwärts zählen (auch in größeren Schritten)
  • eine Anzahl Punkte in Fünferstrukturanordnung bestimmen oder selbst einkreisen
  • bis zur nächsten Stufenzahl ergänzen, z. B. zum nächsten Zehner, Hunderter, usw.
  • Strategien des Verdoppelns und Halbierens kennen
  • Zahlen der Größe nach ordnen
  • die Vorgänger und Nachfolger einer Zahl benennen
  • einzelne Zahlen auf dem Zahlenstrahl einordnen
Für eine tragfähige Orientierung im Zahlenraum ist neben dem Stellenwertverständnis und dem Mengenverständnis von Zahlen ebenso die Erarbeitung des Zahlenstrahls als zentrales Anschauungsmittel grundlegend. Auf den folgenden Seiten zeigen wir am Beispiel des Zahlenstrahls, wie das kardinale durch das ordinale Zahlverständnis ergänzt werden kann.
Sarah besucht eine dritte Klasse und bearbeitet die nachstehende Aufgabe zur Orientierung auf dem Zahlenstrahl wie folgt:

 

Offensichtlich hat Sarah Probleme, sich auf dem Zahlenstrahl zu orientieren und die markierte Zahl richtig zuzuordnen. Sie hat der Markierung auf dem Zahlenstrahl die Zahl 96 zugeordnet. Dabei hat sie sich um einen Zehner vertan. Woran könnte das liegen?

Der Zahlenstrahl ist ein recht abstraktes Modell, das Schwierigkeiten besonders für Lernende im Grundschulalter birgt und nicht immer leicht zu verstehen ist.
Gleichzeitig repräsentiert der Zahlenstrahl besonders gut die Linearität, also den ordinalen Zahlaspekt und die Unendlichkeit der natürlichen Zahlen, sodass bei einem Verzicht auf das Anschauungsmittel ein wesentlicher Aspekt für einen umfassenden Zahlbegriff fehlen würde.
Schließlich ist es ein zentrales Ziel des Mathematikunterrichts, Zahlen nicht nur kardinal, sondern auch ordinal denken zu können. Oder denken Sie bei der Zahl 1000 an genau 1000 Murmeln, Perlen oder Plättchen? Womöglich repräsentieren Sie diese Zahl eher linear, zum Beispiel auf dem Zahlenstrahl.

Der Zahlenstrahl ist ein gängiges Anschauungsmaterial im Mathematikunterricht, das bis in die höheren Schuljahre Anwendung findet. Der Zahlenstrahl lässt sich problemlos für die Erarbeitung anderer Zahlenbereiche einsetzen. Eine Fortsetzung nach links ermöglicht den Blick auf die negativen Zahlen; maßstäbliche Verkleinerungen erlauben problemlos eine Erweitung der Zahlbereiche z. B. Dezimalzahlen oder Brüche.

„Ohne Verständnis für die Zahlbeziehungen am Zahlenstrahl können weder flexible Rechnungen durchgeführt, noch später Funktionsgraphen im Koordinatensystem interpretiert werden" (Prediger, Freesemann, Moser Opitz & Hußmann 2013, S. 4).
 
Doch was muss Sarah eigentlich können, um Zahlen auf dem Zahlenstrahl richtig zuzuordnen oder einzutragen?
 
Auf den nächsten Seiten beantworten wir in diesem Sinne folgende Fragen:
  1. Welche mathematische Idee steckt hinter dem Zahlenstrahl?
  2. Welche Kompetenzen sind erforderlich, um sich auf dem Zahlenstrahl zu orientieren?
  3. Wie können diese Kompetenzen aufgebaut werden? Welche Rolle spielt dabei das Material?