Der Größenbegriff

Kinder bauen Größenvorstellungen nur in der konkreten Auseinandersetzung mit Größen auf. Erläutert wird dies im Unterrichtsteil am Beispiel des Größenbereichs Länge.

Vorab ist eine Klärung des Gößenbegriffs notwendig, weil sich daraus fundamentale didaktische und methodische Grundsätze für den Mathematikunterricht ableiten lassen. Dazu wird zunächst Folgendes in den Blick genommen:

Was sind Größen?

Starten wir mit einem kleinen Beispiel und schauen Sie sich danach zuerst das Video an, bevor sie den Kommentar zur Eigenaktivität lesen.

Eigenaktivität

Was ist eigentlich eine Größe? Bevor wir diese Frage aufklären, überlegen Sie doch einmal selbst.


Welche der folgenden Zahlenangaben sind Größen und welche nicht? Und warum?

- 15 €
- 7 m
- 13.15 Uhr
- + 17
- 15 °C
- 6 h 27 min
- 29 l 

Im folgenden Video wird der Größenbegriff weiter ausgeführt und der Zusammenhang zwischen Größen und Zahlen beschrieben.

Zwischen dem Zahl- und dem Größenbegriff gibt es also strukturelle Gleichheiten. Konkret für den Unterricht bedeutet dies, dass für die Einführung von Größen die gleichen didaktischen und methodischen Grundsätze gelten müssen wie für die Einführung der Zahlen am Schulanfang. Und ein solcher Unterricht ist geprägt von direkten Erfahrungen, wie zum Beispiel vielfältige Messerfahrungen in den verschiedenen Größenbereichen und weniger vom Auswendiglernen von Umrechnungen.

Was sind Stützpunktvorstellungen?

Stützpunktvorstellungen sind realistische, alltagstaugliche Vorstellungen zu Größen und Größenbegriffen. Als Vergleichswerte unterstützen sie die Kinder, sich die Größen der Maßeinheit realistisch vorzustellen und zu merken, und als Vorstellungshilfendienen sie, um unbekannte Größen über Vergleiche mit ihnen zu bestimmen (vgl. Reuter/Neubert 2010). So nutzt man zum Beispiel die Vorstellung über die Länge eines Schritts als Repräsentant für 1 m, um eine kurze Strecke abzuschätzen (durch mentales oder konkretes mehrmaliges Abgehen), oder die Vorstellung einer Tafel Schokolade als Repräsentant für 100 g, um das Gewicht eines anderen Gegenstandes einzuschätzen („wiegt so viel wie 3 Tafeln“) (vgl. Selter/Zannetin 2018).

Welche Größenbereiche werden in der Grundschule thematisiert?

Zeitspannen

Um in diesem Größenbereich kompetent zu werden, müssen Kinder begreifen, dass Vorstellungen über die Dauer von Vorgängen höchst subjektiv sind. Während ein spannender Kinofilm wie im Flug vergeht, kann die Wartezeit beim Arzt sehr lang werden. Auch nimmt die Unsicherheit in den eigenen Angaben zu, je länger die zu schätzenden Zeitspannen werden.
Für den Grundschulunterricht ist es daher wichtig, Stützpunkte für überschaubare Zeitspannen festzulegen.
So können beispielsweise von der Vorstellung über die Dauer einer Sekunde ausgehend ("Ich zähle immer 21, 22, …") kurze alltägliche Abläufe thematisiert werden (Wie lange brauche ich zum Zähneputzen? Wie lange dauert mein Frühstück?). Aber auch die Zeitspannen im Schulalltag sind wichtige Stützpunkte (Schulstunde, die große Pause, …).
Um Vorstellungen von Zeitspannen aufzubauen, ist es wichtig, dass die Kinder auch hier vielfältige Messerfahrungen machen. So könnten Sie die Kinder auffordern über den Tag verteilt ihre Aktivitäten zeitlich zu protokollieren.

Gewicht

Ab der dritten Klasse wird der Größenbereich Gewicht (in der Physik als "Masse" bekannt) systematischer betrachtet. Die Besonderheit dieses Größenbereiches ist, dass nicht alleine über das Volumen auf die Masse eines Gegenstandes geschlossen werden kann. Somit gewinnen hier haptische Erfahrungen für die Kinder an Bedeutung.
Wichtige Stützpunktvorstellungen sind beispielsweise das eigene Körpergewicht, das jedoch keine direkt wahrnehmbare Größe darstellt. Darüber hinaus sind das Gewicht des Schulranzens sowie das Gewicht alltäglicher Gegenstände, die in der Regel in gleichen Größen abgepackt bzw. angeboten werden (Paket Mehl), grundlegende Stützpunktvorstellungen.
 

Geldwerte

Ein sehr komplizierter Größenbereich ist der (nicht physikalische) Größenbereich Geldwert. Hier müssen Kinder zunächst begreifen, dass der Wert eines Gegenstandes nicht stabil bleibt und subjektiven Schwankungen unterliegt. So wird für altes Spielzeug auf dem Flohmarkt eher wenig Geld ausgegeben, es sei denn einem Sammler ist dieses Spielzeug mehr wert. Auch verhält sich ein Geldwert nicht proportional wie etwa im Fall von Preisnachlässen beim Kauf größerer Mengen.

Volumen

Der Größenbereich Volumen ist sehr anspruchsvoll. Da Rauminhalte in der Regel in der Grundschule noch nicht als zusammengesetzte Größen (Damit ist die gemeinsamen Betrachtung von der Länge, Breite und Höhe eines Gegenstandes gemeint. Diese Größen werden in cm³, m³ usw. angegeben) behandelt werden, beschränkt sich dieser Abschnitt auf die Hohlmaße (ml, l, usw.). Problematisch ist dieser Größenbereich vor allem in Hinblick auf seine Messgeräte, da viele Messbecher trichterförmig und daher die Skalen nicht proportional sind.
Also ist es naheliegender, Gegenstände als Stützpunkte zu thematisieren, die von ihrer Form her eher für gedankliche Vergleiche geeignet sind. Hierfür bietet sich beispielsweise sehr gut das Dienes-Material an.
Mit einer Kantenlänge von 10 cm hat der 1000er-Würfel einen Rauminhalt von 1000 cm³ und fasst somit einen Liter. Der tausendste Teil dieses Würfels, also ein 1er-Würfel, entspricht somit 1ml. Diese Größen können über Eintauchexperimente im Unterricht thematisiert werden. Auf diese Weise umgeht man die Thematisierung der zusammengesetzten Größen und hat für später einen guten Ausgangspunkt um die zusammengesetzten Größen im Unterricht zu behandeln.