Messkompetenz aufbauen und Fördern
Messen umfasst mehr als das bloße Nutzen von Messwerkzeugen und das Ablesen von Zahlen auf einer Skala. Messkompetenz setzt sich aus mehreren einzelnen Kompetenzen zusammen, die am Beispiel des Größenbereiches Zeit auf dieser Seite vorgestellt werden sollen. Routine und Sicherheit erlangen die Kinder in diesen Teilkompetenzen durch das Sammeln konkreter Messerfahrungen.
Auf dieser Seite gehen wir auf folgende Punkte näher ein:
Dass der Umgang mit Messwerkzeugen nicht immer einfach ist, ist Ihnen sicher durch Erfahrungen aus dem eigenen Unterricht nicht unbekannt. Statt die Kinder lediglich auf die korrekte Handhabung hinzuweisen, lohnt eine genauere Betrachtung verschiedener Messinstrumente. Versammeln Sie Ihre Klasse im Sitzkreis und legen Sie verschiedene Uhren, Sanduhren, Stoppuhren usw. aus. Kommen Sie dann mit den Schülerinnen und Schülern ins Gespräch: Wie messe ich mit den einzelnen Messgeräten? Wozu eignet sich welches Instrument besser? Was muss ich beim Messen/ Stoppen von Zeit beachten?
Zur weiteren Vertiefung legen Sie den Kindern eine Analoguhr (mit Zeigern) vor und stellen Sie die Frage: "Kann man damit auch die Zeit stoppen?" Die Uhr ist eigentlich kein Gerät zur Bestimmung von Zeitspannen. Üblicherweise verwenden wir hier Stopp- oder Sanduhren. Doch auch mit der Armbanduhr kann ich Zeitspannen messen, wenn ich mir Anfangs- und Endpunkt eines Vorgangs merke und die Differenz berechne. Sollen bekannte Instrumente noch genauer betrachtet werden, lassen sich Messinstrumente mit vollständiger Skala, aber ohne Zahlen einsetzen – z. B. ein abgeklebtes Ziffernblatt. Werden dann z. B. Armanduhr und die abgeklebte miteinander verglichen, erhalten die verschiedenen Einheiten noch einmal eine stärkere Festigung.
Im folgenden Video haben wir mit einem Jungen einer dritten Klasse über verschiedene Messgeräte gesprochen. Über welche Kompetenzen im Zusammenhang mit Messinstrumenten im Größenbereich Zeit verfügt der Junge Ihrer Meinung nach?
Wir unterscheiden zwischen gegenständlichen, körpereigenen und normierten Messinstrumenten (vgl. Nührenbörger 2002, S. 29 ff.). Normierte Messinstrumente zeichnen sich dadurch aus, dass sie in unserer Kultur speziell konstruiert wurden, um zu messen und konventionelle Einheiten zu repräsentieren. Die verschiedenen Messwekzeuge unterscheiden sich hinsichtlich ihres spezifischen Verwendungszwecks: Es gibt für bestimmte Situationen nützlichere und handhabbarere sowie auch effektivere und genauere Messinstrumente (vgl. Hiebert et al. 1997, S. 53 ff.). Die werden, da sie nicht nur Einheiten repräsentieren, anders bezeichnet als die auf ihnen abgebildeten Einheiten. Oft tragen sie ihren Verwendungszweck im Namen, wie beispielsweise die Eieruhr oder Zahnputzuhr. Nunes, Light und Mason (1993) betonen, dass der Umgang mit Messwerkzeugen das Verständnis von Kindern beim Messen nicht nur unterstützt, sondern auch beeinflusst und prägt. Demnach stellen konventionelle Messinstrumente nicht nur ein Werkzeug des Handelns, sondern auch eines des Denkens und Erkennens dar. Um Kinder gezielt auf diese Aspekte der Messwerkzeuge aufmerksam zu machen, können unterschiedliche Messinstrumente aus verschiedenen Größenbereichen im Zusammenhang thematisiert werden. Stellen Sie in Ihrer Klasse dazu folgende Arbeitsaufträge:
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„Womit misst du die Zeit beim Zähneputzen?“
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"Womit misst du die Zeit beim 100 Meter Lauf?"
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"Wo schaust du nach, wenn du wissen willst, wie viel Zeit es noch bis Weihnachten ist?"
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usw.
Die Kinder sollen das für die jeweilige Situation passende Messwerkzeug auswählen und zudem begründen, warum sie gerade dieses für geeignet halten (Welche Messgeräte benötigst
du?). In unseren Erprobungsklassen zeigte sich, dass die Kinder nur diejenigen Messinstrumente wählten, die ihnen auch bekannt waren. Grundsätzlich unterschieden sich Zweit- und Viertklässler in ihren Kompetenzen nicht.
Teilen Sie Arbeitsblätter mit leeren Kreisen aus und stellen Sie dazu die Folgende Aufgabe: „Stell dir vor, dies sei eine Uhr. Zeichne ein, was noch fehlt, damit es aussieht wie eine richtige Uhr.“ Diese Aufgabe eruiert, inwieweit die Kinder in der Lage sind, die Zeichen auf der Messskala (Zahlen und unterschiedlich lange Striche) als Veranschaulichung des Messprozesses zu verstehen, der sich aus dem wiederholten Abtragen einer Einheit und ihrer Untereinheit zusammensetzt.
Es zeigte sich, dass einige Kinder nur Zahlen (allenfalls mit einzelnen Strichen) notierten. Diese Kinder interpretierten die Zeichen auf der Uhr im arithmetischen Sinn und erkannten die Abstände nicht als Längeneinheiten. Gerade diese Kinder benötigen im Unterricht konkrete Messerfahrungen, aber auch das selbstständige Erstellen von Skalen. Arbeitsblätter für die Größenbereiche Zeit, Längen und Volumen finden Sie im Abschnitt Material.
Die vier Abbildungen zeigen die unterschiedlichen Niveaustufen, die innerhalb einer Lerngruppe einer vierten Klasse auftreten können. Die erste Uhr hat nur einen Zeiger und es werden so lange Zahlen in das Ziffernblatt eingetragen, bis die Uhr "voll" ist. Die zweite Uhr verfügt immerhin schon über Minuten und Stundenzeiger. Die 12 Stunden sind aber nicht gleichmäßig über das Ziffernblatt verteilt. Die Forderung nach Gleichmäßigkeit ist bei der dritten Uhr erfüllt. Und bei der vierten Uhr sind auch die Minutenstriche zwischen den Stunden eingetragen. Wenn auch nur stets vier bzw. fünf.
Eine Größe wird durch Maßzahl und Maßeinheit eindeutig beschrieben. In der Grundschule thematisieren wir vorrangig Maßeinheiten physikalischer Größen. Eine Ausnahme bildet der Größenbereich Geldwert. Damit Messwerte mit zu großen oder zu kleinen Zahlen vermieden werden können, werden bei den meisten Maßeinheiten Vorsätze genutzt. Leider sind sie nicht durchgängig einheitlich, so dass Kinder die Vorsätze jeder Größenart individuell lernen müssen. Selbst die vermeintlich durchgängige Verwendung der Vorsilbe „Milli“ für das Tausendstel weist bei genauerer Betrachtung einige Tücken auf:
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Bei Längen und Volumina wird damit das Tausendstel der Basiseinheit bezeichnet, bei der Masse hingegen nicht (hier ist das Kilogramm die Basiseinheit).
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Bei Massen und Volumina ist den Kindern die 1000er-Gliederung geläufig und wird unterrichtlich thematisiert, bei Längen jedoch kaum betrachtet. Hier stehen die Beziehungen m – cm und cm – mm im Vordergrund.
Für den Größenbereich Zeit werden keine Zehnerpotenzen genutzt, weshalb hier ein völlig anderes System an Vorzeichen gelernt werden muss. Es ist daher kaum verwunderlich, dass sich viele Kinder damit schwer tun, zu einer gemessenen oder erwähnten Größe die passende Einheit zu nennen. Denn es muss stets nicht nur die Basiseinheit (m = Meter, l = Liter, g = Gramm, s = Sekunde), sondern auch der passende Vorsatz mitgedacht werden. In einer kleinen Untersuchung haben wir Kindern der 2. und 4. Klasse verschiedene Sätze vorgelegt, die sie vervollständigen sollten. Zur Festigung von Größenvorstellungen, aber auch zur Erfassung des Leistungsstandes in diesem Kompetenzbereich eignen sich entsprechende Lückentexte, die wir in den Erprobungsklassen (2. und 4. Klasse) eingesetzt haben ( Welche Maßeinheit?). Es zeigte sich, dass die Kinder nicht durchgängig Schwierigkeiten mit der Wahl der passenden Einheit hatten, sondern es bei vielen Kindern individuell gelagerte, problematische Größenbereiche gab. Der Größenbereich Länge wurde am besten bewältigt, da die beteiligten Kinder in diesem Größenbereich die meisten konkreten Messerfahrungen gesammelt hatten.