Formen lernförderlicher Leistungsrückmeldung

Die Diskussion um Ziffernnoten in der Schule ist nicht neu. An dieser Stelle soll die Pro- und Kontra-Diskussion der Notengebung nicht geführt werden, wir halten dazu fest: Noten sind nicht besonders informativ, denn sie geben Schülerinnen und Schülern sowie Eltern nur eine grobe Tendenz über den Leistungsstand.
Wie im Einstiegsbeispiel aufgeworfen, enthalten sie jedoch keine Informationen darüber, welche Inhalte gut oder noch nicht so gut beherrscht werden und wie ein sinnvolles Weiterlernen aussehen könnte. Gleichwohl ist die Vergabe von Ziffernnoten festgelegt. 

Nimmt man den Auftrag der Schule ernst, sollte die Leistungsbeurteilung jedoch lernförderliche Rückmeldung enthalten. Aus diesem Grund stellt sich die Frage, wie die Ziffernnotenvergabe sinnvoll durch alternative Formen ergänzt und somit informativ, sowohl für Schüler als auch für Eltern, gelingen kann. 

Welche Kriterien sollten alternative Formen der Leistungsrückmeldung erfüllen?

Wie bereits im Einstieg angesprochen, sind Noten (allein) nicht besonders aussagekräftig, um individuelle Stärken und Schwächen zurückzumelden und entsprechende Förderangebote abzustimmen. In einer einzelnen Note werden viele Informationen zusammengeführt. 
Daher stellt sich die Frage, in welcher Form Leistungen so rückgemeldet werden können, dass diese für Schülerinnen und Schüler sowie für Eltern informativ werden.
 

Leistungsrückmeldung – mehr als Noten

Ausgehend von verbindlichen Anforderungen wie sie in den Lehrplänen aller Bundesländer aufgeführt werden, sollten die Leistungen der Schülerinnen und Schüler dokumentiert werden. Neben der Beurteilung dieser steht dabei aber vor allem die Förderung der Kinder im Vordergrund. 

Wie schon im Einstiegsbeispiel erwähnt, kann anhand einer Note kaum eine Information über zugrundeliegende Stärken und Schwächen einzelner Schüler entnommen werden. Weder den Schülerinnen und Schüler, noch den Eltern kann eine Note einen umfassenden Überblick über den Leistungsstand geben, obwohl sie genau das suggeriert. 

Selbst von der Lehrkraft kann ausgehend von einer Note keine adäquate individuelle Förderung geplant werden. 
Gleichwohl sollte man Noten deshalb nicht abschaffen, ohne dass man über mögliche Probleme, die damit einhergehen, nachdenkt und berücksichtigt, welche durchaus sinnvolle Funktion sie haben können. Die Ziffernnote kann und sollte ein Bestandteil von vielen Rückmeldungen zu einzelnen Leistungsständen und zur individuellen Lernentwicklung der Kinder darstellen.
 

Unterstützen statt Überprüfen

Die Aussagekraft von Ziffernnoten ist vergleichsweise gering und bieten in der Regel keine Hilfen für das Weiterlernen. Nimmt man die Entwicklungsfunktion der Schule ernst, rückt das Unterstützen nicht das Überprüfen als primäre Aufgabe in den Mittelpunkt der Rückmeldung. Kindern sollte ein ermutigendes Resümee ihrer Lernprozesse gegeben und Perspektiven für das weitere Lernen eröffnet werden (vgl. Sundermann & Selter 2013, S. 166). 

Während des Unterrichts oder in Gesprächssituationen kommt es häufig vor, dass Kinder Rückmeldungen von ihren Lehrkräften erhalten oder einfordern. Solche direkten Rückmeldungen sind für die Kinder sehr wichtig und sollten daher unbedingt lernförderlich sein und bewusst als Unterstützungsmöglichkeit wahrgenommen und genutzt werden.

Betrachten wir dazu folgendes Beispiel: Tim rechnete die Aufgabe 285 – 192 schriftlich und zog dabei stets die kleinere von der größeren Ziffer ab, unabhängig davon, ob sie dem Minuenden oder dem Subtrahenden zuzuordnen war. Nach der Berechnung fragte er seine Lehrerin, ob sein Ergebnis 113 richtig sei. 

Welche Rückmeldung würden Sie Tim geben?

Illustration eines Kindes. Vor ihm liegt ein Blatt mit der Rechnung „285 minus 192 = 113“ als schriftliche Rechnung. Darüber eine Sprechblase: „Ist das richtig so?“

Auf diese Frage sind viele Antwortmöglichkeiten denkbar. 


Eigenaktivität
Welche dieser Antworten halten Sie für lernförderlich?
in Anlehnung an Sundermann & Selter 2006, S. 167
Damit Rückmeldungen lernförderlich sind, ist es wichtig, dass die Kinder nicht belehrt werden. Kinder sollten dazu ermuntert werden, ihre Fragen selbst zu beantworten bzw. selbst aktiv zu werden und dabei Verantwortung für das eigene Lernen zu übernehmen. 
Eine mögliche Reaktion von Tims Lehrerin wäre es ihn zu fragen, wie er zu seiner Lösung gekommen ist, sich also seinen Rechenweg erklären zu lassen. In vielen Fällen erkennen die Kinder dabei selbst ihren Fehler.
Eine weitere Möglichkeit ist es einen sogenannten kognitiven Konflikt herbeizuführen. Dazu kann Tim die Aufgabe 285-172 gestellt werden, um anschließend die Ergebnisse miteinander zu vergleichen. 
Wie können Schülerinnen und Schüler in die Leistungsrückmeldung einbezogen werden?
In den aktuellen Lehrplänen finden sich Forderungen nach einer stärkeren Einbeziehung der Schülerinnen und Schüler, so beispielsweise im Lehrplan für Grundschulen in Nordrhein-Westfalen: 


Die Schülerinnen und Schüler „lernen, ihre Arbeitsergebnisse selbst einzuschätzen, Lernprozesse und unterschiedliche Lernwege und -strategien gemeinsam zu reflektieren und zunehmend selbst Verantwortung für ihr weiteres Lernen zu übernehmen“ (MSW 2008a, S. 19).
Der Vorteil lernförderlicher Formen der Leistungsrückmeldung ist, dass diese eine gute Möglichkeit bieten, Kinder in die (Mit)Planung und (Mit)Steuerung des Lernprozesses einzubeziehen (vgl. Selter, 2006). Dies ermöglicht, dass die Lernenden, ein Bewusstsein über ihre Lernfortschritte, sowie ihre persönlichen Stärken und Schwächen und ein realistisches Bild ihrer Lernmöglichkeiten aufzubauen können und ebenso zur Mitverantwortung für den eigenen Bildungsweg angeregt werden.


Transparenz schaffen – Bewertungskriterien gemeinsam formulieren
Ein Beispiel: Das zählt in Mathe
Im Mathematikunterricht werden nicht nur die schriftlichen Arbeiten und die Mitarbeit zur Bewertung herangezogen, darüber hinaus sind gleichermaßen andere Kriterien relevant. Dazu gehören beispielweise
Anstrengungsbereitschaft, 
Lernfortschritt oder 
Kooperationsfähigkeit.
Darüber kann man mit den Kindern sprechen und anschließend gemeinsam die Kriterien formulieren und sichtbar im Klassenraum aufhängen (vgl. Abbildungen).
Gute Ergebnisse in den Mathearbeiten 
Zertifikate, usw.
regelmäßige Abgabe der Wochenblätter
eigenständige und zuverlässige Erledigung der Hausaufgaben
kontinuierliche Mitarbeit
Kooperationsfähigkeit
Einhalten von Regeln
zuhören
Mathe-Check
(vgl. Sundermann & Selter 2013, S. 53)
Die einzelnen Kriterien werden im Unterricht und in den persönlichen Gesprächen mit einzelnen Kindern immer wieder thematisiert, sodass diese den Kindern präsent bleiben. In regelmäßigen Abständen kann Zwischenbilanz in Form von Lernberichten gezogen werden. So können die Kinder zunehmend mehr Verantwortung für ihren Lernprozess übernehmen.
Leistungsrückmeldungen sollen Ziffernoten ergänzen und können dabei allgemein – wie oben im Beispiel (Abb. 2) – oder sehr konkret auf den Inhalt bezogen gegeben werden. 
entnommen aus Sundermann & Selter 2013
Der Einsatz von schriftlichen und mündlichen Rückmeldungen ist vergleichbar mit dem der Standortbestimmungen. Der aktuelle Lerngegenstand wird in einzelne Kompetenzen geteilt, die für die Rückmeldungen in Kindersprache oder beispielhaft formuliert werden. 
Welche Instrumente eignen sich zur schriftlichen und mündlichen Rückmeldung?
Wesentlich ist neben – bzw. auch statt – der Nutzung von Noten, Punkten und/oder Smileys, die lernförderliche Rückmeldung als geschriebener oder gesprochener Text, 
die stärkenorientiert auf die
individuelle Lernentwicklung zurückblickt und auf 
konkrete Lernperspektiven vorausschaut.
Schriftliche Rückmeldungen
Der fehlende Informationsgehalt von Noten ist auch für die Lehrerinnen und Lehrer ein Nachteil. Um eine adäquate Förderung der einzelnen Schülerinnen und Schüler vorzunehmen, müssen sie sich ohnehin noch weitere Informationen und Einschätzungen notieren (Leistungen feststellen). Durch schriftliche Rückmeldungen kann die Lehrkraft dem Kind individuell mitteilen, wie sie seine Leistungen einschätzt, wo es besonders erfolgreich gearbeitet hat, aber auch, wo es noch Dinge aufarbeiten muss und wie es nun weiterarbeiten kann. 

Durch die schriftlichen Rückmeldungen werden auch die Eltern über den Leistungsstand ihres Kindes informiert. Als Beispiele für schriftliche Rückmeldungen werden im Folgenden vorgestellt:
Lernberichte/ Rückmeldebögen 
Selbstreflexionen
Briefe und Texte
Rückmeldebögen und Selbstreflexion als Bestandteil des Lernens
In Lernberichten oder Rückmeldebögen werden verschiedene Beurteilungskriterien angeführt (z.B. „Du hast jede Aufgabe vollständig gelöst“ oder „Du hast passende Plusaufgaben gefunden“), die optimaler Weise mit den Kindern gemeinsam entwickelt wurden. Die Lehrkraft kreuzt auf einer Skala ihre Einschätzung der Leistungen des Kindes an.

Schülerinnen und Schüler sind gefordert nicht nur Wissen zu erwerben, sondern gleichermaßen zu lernen, dabei „ihr eigenes Weiterlernen selbst in die Hand zu nehmen“ (Czerwanski et al. 2004, S. 9). Das lernen die Kinder natürlich nicht von alleine, es ist wichtig, sie dabei zu unterstützen. 

Günstig ist es, Rückmeldebogen mit Selbsteinschätzungsbogen zu kombinieren, denn Selbstreflexionen ermöglichen es Kindern, mehr Transparenz über den vergangenen und zukünftigen Lernprozess zu erhalten, sie dadurch stärker in diesen einzubinden und die Verantwortung für das eigene Lernen zu übernehmen. 
Lernbericht - Das zählt in Mathe
Sich selbst und seine Leistungen passend einschätzen zu können ist ein langer Prozess, bei dem die Kinder Unterstützung durch ihre Lehrkräfte benötigen. 
Werden die Kinder zur Selbstbeobachtung und -reflexion angeregt, ist eine Rückmeldung zur eigenen Einschätzung zentral. Sie erhalten einen Anhaltspunkt, inwieweit sie ihre Selbsteinschätzung realistisch oder passend getroffen haben. Dies kann beispielsweise gelingen, indem Selbst- und Fremdeinschätzung miteinander verglichen werden (vgl. Abb. 3). 
 
Besonders in der Grundschule bietet sich dazu ein individuelles Gespräch an. Dies gilt nicht nur für die unteren Schulstufen, wenn noch nicht alle Kinder über genügend Lesekompetenz verfügen, sodass eine schriftliche Rückmeldung problematisch erscheint (vgl. Huethorst 2016, S. 21), sondern ebenso für alle Jahrgangsstufen in der Anfangszeit, wenn die Kinder zum ersten Mal mit der Selbsteinschätzung konfrontiert werden. 
Individuelle Rückmeldegespräche 
Nicht immer sind schriftliche Rückmeldungen für die Kinder einfach zu verstehen, daher bieten sich mündliche Rückmeldungen an, in denen Kinder und Lehrende in einen Dialog über das Lernen treten können (vgl. Sundermann & Selter 2013, S. 168). Dies kann auf zweierlei Art geschehen. Zum einen, wie oben bereits erläutert, als direkte Rückmeldung im Unterricht also inoffiziell in offenen Unterrichtsphasen.

Zum anderen kann die mündliche Art der Rückmeldung als offizieller Bestandteil des Unterrichts etabliert werden. Dazu eignet sich die sogenannte Kindersprechstunde oder der Kindersprechtag. Die Kindersprechstunde bzw. der Kindersprechtag ist ein Instrument, das Grundschulkinder zur Reflexion anleitet und sie somit unterstützt die eigene Verantwortung für ihr Lernen zu erkennen und (weiter-)zuentwickeln.

Im Unterricht erläutern wir, wie die Formen der Leistungsrückmeldung alltagstauglich in den Unterricht integriert werden können.